Neue Professur für Maschinelles Lernen in der TeilchenphysikMit Künstlicher Intelligenz auf der Suche nach neuer Physik
9 December 2020

Photo: UHH/MIN/Fuchs
Seit 1. Dezember ist Gregor Kasieczka Professor für Maschinelles Lernen in der Teilchenphysik an der Universität Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Machine Learning Methoden zur Auswertung von Messdaten aus Teilchenkollisionen an Hochenergiebeschleunigern und zur Simulation von Detektoren. Als leitender Wissenschaftler am Exzellenzcluster Quantum Universe verstärkt Prof. Dr. Gregor Kasieczka die Aktivitäten des Clusters im Bereich Datenwissenschaften und Künstliche Intelligenz.
Bei Teilchenkollisionen an Hochenergiebeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) des CERN entstehen immense Datenmengen an den Detektoren. Sie werden meist auf der Grundlage von Annahmen aus theoretischen Modellen ausgewertet und nach Anhaltspunkten für theoretisch vorhergesagte Teilchenzerfälle durchsucht. Doch was ist mit Hinweisen auf Prozesse, die bislang theoretisch nicht modelliert sind und die dennoch bei Teilchenkollisionen stattfinden können? Um solche Ereignisse aufzuspüren, entwickeln Forschende wie Gregor Kasieczka Machine Learning Algorithmen zur Auswertung der Messdaten aus Teilchenkollisionen.
Diese sogenannte modellunabhängige Anomaliesuche ist ein neuer Forschungsansatz, mitbegründet von Gregor Kasieczka. Dabei werden Machine Learning Algorithmen speziell darauf trainiert, Ausreißer und Anomalien in den Messdaten aus Detektoren ausfindig zu machen und so Hinweise auf mögliche neue Physik zu geben: "Maschinelles Lernen zur Suche nach Anomalien in Daten bietet uns eine neue Methode zur Entdeckung von bisher unbekannten physikalischen Modellen und Elementarteilchen. Gleichzeitig können solche Ansätze zur automatischen Beobachtung von Datenqualität und ähnlichen Fragestellungen angewandt und weiterentwickelt werden.", erklärt Gregor Kasieczka.
Neben der Anwendung bei der Auswertung von Messdaten kommt Machine Learning bei der ressourcenintensiven Simulation der Teilchendetektoren zum Einsatz. Dazu arbeiten Gregor Kasieczka und sein Team an generativen Modellen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, die Simulation um ein Vielfaches zu beschleunigen. Künftig wird Gregor Kasieczka auch an der Entwicklung von Machine Learning Algorithmen für die Online-Ereignisauswahl des CMS Detektors am CERN arbeiten. Aufgrund der extrem hohen Raten an Teilchenkollisionen kann nur ein kleiner Bruchteil der produzierten Ereignisse gespeichert werden. Maschinelles Lernen ermöglicht es, spannende physikalische Ereignisse zielsicherer auszuwählen als es bisher mit klassischen Methoden möglich war.
Gregor Kasieczka ist kein Unbekannter am Fachbereich Physik der Universität Hamburg. Bereits seit 2017 ist er Juniorprofessor am Institut für Experimentalphysik. Seit 2018 leitet er eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, die sich dem Nachweis von exotischen langlebigen Teilchen bei Teilchenkollisionen am LHC widmet. Zum Einsatz kommen auch dabei Machine Learning Methoden, mit deren Hilfe sich die Zerfälle solcher Teilchen in den Daten des CMS Detektors am LHC identifizieren lassen.
Die Besetzung der neuen Professur für Maschinelles Lernen in der Teilchenphysik durch Gregor Kasieczka verstärkt die Forschung am Exzellenzclusters Quantum Universe im Bereich Datenwissenschaften und Künstliche Intelligenz in der Teilchen- und Astrophysik. Am Exzellenzcluster koordiniert Gregor Kasieczka die Plattform für Herausforderungen in den Datenwissenschaften und ist darüber hinaus in Aktivitäten des Center for Data and Computing in Natural Science in Hamburg eingebunden. Seit Sommer 2020 leitet er die neu gegründete Arbeitsgruppe „Machine Learning“ der internationalen CMS Kollaboration.