Prof. Dr. Jochen Liske über Astronomie und Musik„Wie kann man davon nicht begeistert sein?“
29 January 2020

Photo: Liske privat
Am 2. Februar 2020 laden der Chor und das Sinfonieorchester der Universität Hamburg zum Winterkonzert in die Laeiszhalle zu Gustav Holsts Orchestersuite „Die Planeten“ und A-capella-Kompositionen verschiedener Komponisten ein. Im Interview erklärt Jochen Liske, Professor für Beobachtende Astronomie und Mitglied im Exzellenzcluster Quantum Universe, wie sein Vortrag vor dem Konzert eine Brücke zwischen Astronomie und Musik schlägt.
Herr Liske, was begeistert Sie an der Astronomie?
Mithilfe der Astronomie erkunden wir nichts weniger als das Universum. Sie hilft uns zu verstehen, wie unser Planet, unser Sonnensystem und unsere Galaxie entstanden sind und mit dem Rest des Universums zusammenhängen. Wenn man mitten in der chilenischen Wüste auf einem einsamen Berg sitzt und mit einem acht Meter großen High-Tech-Teleskop gerade ein paar Lichtteilchen eingefangen hat, die Milliarden Jahre unterwegs waren, um uns zu berichten, was in einer Galaxie am anderen Ende des Universums los ist, dann übt das eine Faszination aus, der ich mich nicht entziehen kann. Wie kann man davon nicht begeistert sein?
Was sind die großen Errungenschaften der modernen Astronomie?
Obwohl wir schon seit mehr als 400 Jahren mit Teleskopen den Himmel erkunden, ist die Astronomie heute eine äußerst agile Wissenschaft, die neue Technologien schnell adaptiert und mit vergleichsweise bescheidenem finanziellen Aufwand enorme Erkenntnisfortschritte erzielt. Exoplaneten, Dunkle Energie, das Alter des Universums, der Nachweis und nun sogar das Bild eines Schwarzen Lochs: All das sind Entdeckungen, Erkenntnisse und Errungenschaften aus den vergangenen 25 Jahren. Für mich steht außer Frage, dass die Astronomie auch in Zukunft spannende Entwicklungen bereithält.
Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Forschung?
Ich untersuche die Prozesse, die für die Entwicklung von Galaxien wie unserer Milchstraße verantwortlich sind. Galaxien sind faszinierende, komplexe Gebilde aus Milliarden von Sternen und Gas, die von Dunkler Materie zusammengehalten werden. Um die verschiedenen Entwicklungsmechanismen voneinander trennen und deren Wirkungen isolieren zu können, führe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen große Populationsstudien durch. Im Rahmen des Exzellenzclusters Quantum Universe untersuche ich anhand der großräumigen Verteilung von Galaxien die Eigenschaften der Dunklen Materie. Außerdem beschäftige ich mich mit der Entwicklung hochpräziser astronomischer Messmethoden um damit eine ganz neue Art der Beobachtung der Ausdehnung des Universums zu ermöglichen.
Worum wird es in Ihrem Vortrag gehen?
Um Planeten! In den letzten Jahren sind die Missionen zur Erkundung unseres Sonnensystems immer spektakulärer geworden. Ich werde auch den im Dezember 2019 verliehenen Physik-Nobelpreis für die Entdeckung von Exoplaneten zum Anlass nehmen, um über diese Planeten jenseits des Sonnensystems zu sprechen. Mittlerweile kennen wir über 4000 solcher Exoplaneten, von denen übrigens der eine oder andere von Forschenden der Hamburger Sternwarte entdeckt wurde. In ein paar Jahren werden wir in der Lage sein, die Atmosphären von Exoplaneten so genau zu erkunden, dass wir Rückschlüsse über mögliches Leben auf diesen Planeten ziehen können.
Was verbindet Ihrer Meinung nach Musik und Physik?
Beide bewegen sich in abstrakten Welten, die jeweils eigene Realitäten repräsentieren. Die Physik schält aus einer zunächst unübersichtlich erscheinenden Außenwelt die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten heraus. Dadurch wird die Außenwelt verständlicher. Auf ähnliche Weise abstrahiert die Musik unsere Innenwelt. Sie drückt das Wesentliche unserer Gefühle aus und macht sie uns zugänglicher. Aus meiner Sicht als Physiker ist allerdings das Lösen von Differentialgleichungen deutlich leichter zu erlernen als das Klavierspiel.
Spielen Sie selbst ein Instrument?
Ich habe als Kind und Jugendlicher viel Gitarre gespielt, bin aber trotz fleißigen Übens nie wirklich gut geworden. Deshalb habe ich nie in einem Orchester oder in einer Band gespielt. Irgendwann habe ich dann die Gitarre in die Ecke gestellt und da steht sie heute noch.
Gustav Holst ist 1934 verstorben. Wenn Sie in der Zeit zurück reisen könnten um den englischen Komponisten zu treffen, worüber würden Sie sich mit Ihm unterhalten?
Holst hat an verschiedenen Einrichtungen, unter anderem am Royal College of Music und an der Harvard University, Komposition gelehrt. Ich würde mich gerne mit ihm über sein Alltagsleben als Hochschullehrer in den 1920er Jahren unterhalten. Außerdem würde ich ihn fragen, ob er sich darüber freut, dass ein im Jahr 1984 entdeckter Asteroid nach ihm benannt werden wird.
Das Interview führte Anna Walter.