Frühes Universum und ExoplanetenWie die Entdeckungen der Physik-Nobelpreisträger 2019 mit der Forschung am Exzellenzcluster „Quantum Universe“ zusammenhängen
10. Oktober 2019
Foto: Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences
Am Dienstag gab das Nobelkomitee in Stockholm die Laureaten des diesjährigen Physik-Nobelpreises bekannt. Für ihre Beiträge zur Erforschung des Universums erhalten der kanadische Kosmologe James Peebles und die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz die renommierte Auszeichnung. Auf den wegweisenden Erkenntnissen insbesondere von James Peebles beruht auch die Forschung am Exzellenzcluster „Quantum Universe“ der Universität Hamburg in Kooperation mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY). Prof. Dr. Marcus Brüggen ist Koordinator des Forschungsfeldes Gravitationswellen am Exzellenzcluster und Professor für extragalaktische Astrophysik an der Hamburger Sternwarte. Er erklärt im Gespräch warum die Erkenntnisse von Peebles, Mayor und Queloz für unser Verständnis von der Entstehung und Beschaffenheit des Universums und für die aktuelle Forschung bei „Quantum Universe“ von großer Bedeutung sind.
Herr Brüggen, können Sie die theoretischen Modelle von Peebles und die experimentellen Nachweise von Mayor und Queloz kurz in die moderne Geschichte der Erforschung des Universums einordnen?
Beide Entdeckungen haben etwas mit unseren kosmischen Ursprüngen zu tun.
Peebles hat beschrieben, wie aus allerkleinsten Fluktuationen kurz nach dem Urknall die heutigen Strukturen im Kosmos, wie die Galaxien, erwachsen sind. So wissen wir, dass ohne die Dunkle Materie unser Universum heute ein langweiliger Ort wäre, in dem es weder Sterne noch Leben gäbe. Auf der Basis von Peebles theoretischen Arbeiten wissen wir heute durch kosmologische Beobachtungen, wie alt unser Universum ist und wieviel Materie es enthält.
Mayor und Queloz haben den ersten Planeten um einen Stern wie unsere Sonne entdeckt und damit unser Bild von unserem Platz im Universum grundlegend verändert. Sie haben die Technik, diese Planeten durch das periodische Zerren an ihrem Zentralgestirn nachzuweisen, durch extrem harte Arbeit und Erfindungsreichtum perfektioniert. Damit haben sie ein neues Gebiet innerhalb der Astrophysik begründet, was dazu geführt hat, dass wir heute tausende von extrasolaren Planeten kennen. Queloz war übrigens damals Doktorand, als er in einem Observatorium in Südfrankreich diesen Planeten entdeckt hat.
Welche Rolle spielen die Erkenntnisse der drei Nobelpreisträger für die Forschungsansätze bei Quantum Universe? Oder anders gefragt: Gäbe es heute die Forschungsfragen von Quantum Universe ohne die Entdeckungen von Peebles, Mayor und Queloz?
Herr Peebles ist einer der Mitbegründer unseres heutigen Modells von unserem Universum. Innerhalb dieses Modells arbeiten wir in dem Exzellenzcluster an weiterhin offenen und grundlegenden Fragen zu den Eigenschaften Dunkler Materie und dem Wesen der Schwerkraft. Exoplaneten spielen im Quantum Universe keine direkte Rolle, sie sind aber ein Fokus der Forschung an der Hamburger Sternwarte, wo insbesondere an der Wechselwirkung zwischen Exoplaneten und ihren Muttersternen geforscht wird.
Auf James Peebles geht die Idee von der Notwendigkeit Dunkler Materie auf kosmologischen Skalen zurück. Wie hat sich seit Peebles theoretischem Modell der experimentelle Nachweis der Dunklen Materie entwickelt?
Seit Peebles sind noch viele verschiedene Beweise für die Existenz von Dunkler Materie hinzugekommen und wir können das Universum mittlerweile mit hoher Präzision vermessen. Zudem ist ein weiteres Mysterium hinzugekommen: die rätselhafte sogenannte Dunkle Energie. Bei beiden wissen wir allerdings immer noch nicht, was es ist. Innerhalb vom Quantum Universe arbeiten wir an verschiedenen Nachweisen für die Dunkle Materie, zum Beispiel an Teilchenbeschleunigern, wie dem Large Hadron Collider, an neuartigen Experimenten zum Nachweis sehr leichter Dunkle-Materie-Teilchen, sogenannten Axionen, und an indirekten Nachweisen über astronomische Beobachtungen.
Mayor und Queloz erhalten für den ersten experimentellen Nachweis eines Exoplaneten den Nobelpreis. Seitdem wurden etwa 4000 Exoplanten gefunden. Wie wahrscheinlich ist es, in – bemessen in kosmischen Skalen – naher Distanz zur Erde Leben auf einem Planeten zu entdecken?
Sehr wahrscheinlich. Weniger sicher ist es, auch Nachweis für intelligentes Leben zu finden. Und nah ist tatsächlich relativ: die nächsten Exoplaneten sind trotzdem noch Lichtjahre entfernt.
Wagen Sie eine Prognose, für welche wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Kosmologie und Astrophysik die nächste hochkarätige Auszeichnung vergeben wird?
Vorhersagen zu Nobelpreisen sind nicht immer einfach. Ich rechne damit, dass wir mit der neuen Generation von Großteleskopen Nachweise für Planeten finden, die Leben beherbergen. Das wäre dann einen Nobelpreis wert. In der Kosmologie gibt es zudem ein neues Problem: unser kosmologisches Standardmodell zeigt erste Risse. Seit wenigen Jahren geben verschiedene Messungen unterschiedliche Ergebnisse über die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Kosmos, beschrieben durch die sogenannte Hubble-Konstante. Hier könnten weitere Entdeckungen schlummern. Und nicht zuletzt verdienen diejenigen einen Nobelpreis, die entdecken, was Dunkle Materie und Dunkle Energie tatsächlich sind.
Das Interview führte Anna Walter.